Die posthibernale Anorexie bezeichnet ein bei Landschildkröten in der Praxis häufig vorkommendes Krankheitsbild, bei dem es nach Beendigung der Winterstarre zu einer anhaltenden Verweigerung der Nahrung kommt.
Wortherkunft: (post = lat. Vorsilbe für „nach“; Hibernation = Bezeichnung für „Winterstarre“; Anorexie = Bezeichnung für „gestörte Nahrungsaufnahme“)
Symptome (Krankheitsbild)
Alle nachfolgenden Symptome treten unmittelbar nach Beendigung der Winterstarre auf und halten trotz Temperatursteigerung über Wochen an:
- Innappetenz/Anorexie (Nahrungsverweigerung)
- Inaktivität (ständiges Ruhen/kaum Bewegung)
- Adipsie (keine Wasseraufnahme)
- Oligurie bis Anurie (wenig bis gar kein Absatz von Harn)
Diagnose (Feststellung)
Bereits anhand der Schilderung des Krankheitsbildes, wird meist schnell klar, ob eine posthibernale Anorexie vorliegt. Der schildkrötenerfahrene Tierarzt sollte bei dem Verdacht auf eine PHA immer ein Blutbild und Organscreening durchführen, um anhand der ermittelten Werte den Verdacht zu bestätigen und die Schwere der bereits vorliegenden Organschäden einschätzen zu können. Meist sind bei einer PHA die Nierenwerte (v. a. die Harnsäure/Urate) und Leberwerte deutlich erhöht. Stark erhöhte Nierenwerte machen aber vor allem auch deutlich, dass primär eine Dehydration (Austrocknung) des Organismus‘ vorliegt.
Therapie (Behandlung)
Konnte der Verdacht einer posthibernalen Anorexie bestätigt werden, führt in den meisten Fällen nur eine schnelle und aufwändige Therapie zur völligen Genesung des Patienten. Bei unterlassener oder falscher Behandlung, wird das betroffene Tier auf Dauer an irreversiblen Organschäden sterben.
Nur eine anhaltende Flüssigkeitssubstitution (Verabreichnung von Flüssigkeit) mit isotonischer Kochsalzlösung (NaCl) sowie die Zwangsfütterung per Magensonde, können bei einer PHA zum Erfolg führen.
Unterstützend dazu, sollten täglich etwa 20minütige Bäder in warmem Wasser oder Früchtetee erfolgen.
Über die Magensonde können neben zusätzlicher Flüssigkeit außerdem noch die notwendigen Medikationen (bei stark erhöhten Harnsäurewerte v. a. mit Gichtmedikamenten) vorgenommen werden.
Um die natürliche Darmflora aufrecht zu erhalten bzw. wieder aufzubauen, hat sich neben der Verabreichnung von artgerechtem Futter auch die Verabreichnung von Kot gesunder Landschildkröten der gleichen Art, bewährt. Die darin enthaltenen Mikroorganismen sorgen für ein möglichst gesundes Millieu innerhalb des Darms und ermöglichen dem Körper dadurch, wieder auf physiologischem Weg Nährstoffe und ausreichend Flüssigkeit über den Darm aufzunehmen zu können. Alternativ hat sich auch die Verabreichung von [amazon_textlink asin=’B0041KMXZU‘ text=’Bird Bene Bac‘ template=’ProductLink‘ store=’mediterraland-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’645a45a8-3d91-11e8-8c43-357fe2c4e9d6′] und Probiotika bewährt.
Ätiologie (Ursache)
Meist handelt es sich um ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die bereits vor oder während der Wintestarre auftreten und sich in der Summe, nach Beendigung der Winterstarre in dem Krankheitsbild einer posthibernalen Anorexie äußern.
Die exakte Ursache kann demnach nie zweifelsfrei auf einen Faktor zurückgeführt werden, jedoch sind folgende Faktoren für eine PHA als hauptursächlich anzusehen:
- geschwächtes Immunsystem
- Vorerkrankungen
- falsche Haltung
- zu kurze oder kalte Aktivitätsphase
- falsche Vorbereitungsmaßnahmen
- völlige Entleerung des Darms
- keine Flüssigkeitsaufnahme
- falsche Überwinterungspraktiken
- Stoffwechselstörungen durch zu hohe Temperaturen (> 7°C)
- starker Flüssigkeitsverlust durch zu trockene Überwinterung
- zu lange Überwinterungsdauer
Prophylaxe (Vorbeugung)
- Landschildkröten argerecht halten
- Aktivitätsphase dem natürlichen Lebensraum anpassen (verlängern)
- nur gesunde Landschildkröten einwintern
- rechtzeitige Untersuchung vor der Einwinterung (am besten im Spätsommer) durch einen schildkrötenerfahrenen Tierarzt
- Kotuntersuchung als erste Instanz ausreichend, sofern keinerlei Symptome zu beobachten sind
- langsame und natürliche Vorbereitung auf die Winterstarre
- ausreichende Wasseraufnahme vor der Einwinterung sicherstellen
- vermehrt Wasserstellen anbieten
- Ruheplätze feucht halten
- künstliches „Zwangsbaden“ vermeiden
- Temperaturen während der Winterstarre konstant bei 4-6°C halten
- Substratfeuchtigkeit während der Wintestarre konstant hoch halten
- Gewichtskontrolle (v. a. bei Überwinterung im Kühlschrank)
- Gewichtsabnahme bis zu 10 % ist unbedenklich
- Winterstarre max. über einen Zeitraum von 4,5 Monaten
Prognose (Aussicht auf Heilung)
Sofern die PHA noch nicht übermäßig lange besteht und die Organwerte des betroffenen Tieres nur leicht erhöht sind, sind die Chancen auf eine erfolgreiche Therapie gut. Bei stark erhöhten Werten ist die Prognose eher vorsichtig zu stellen.
Übertragung (Ansteckungsgefahr)
Eine posthibernale Anorexie ist keine ansteckende Erkrankung.